Wiedereröffnung Bunkermuseum

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In der Holzsägerstraße befindet sich eines der interessantesten Emder Gebäude: das Bunkermuseum. Das Antlitz des über 70 Jahre alten Betonklotzes verändert sich derzeit massiv. Der Bunker wird für den Brandschutz umgebaut. Grund genug, mehr über die spektakulären Arbeiten und die Geschichte des Museums zu erfahren.

Noch steht eine ganze Menge Arbeit an, doch das Ziel ist fest im Blick: Am 6. September soll das Bunkermuseum in der Holzsägerstraße feierlich wiedereröffnet werden. Seit Monaten wird der im Zweiten Weltkrieg erbaute Bunker für den Brandschutz ertüchtigt. Das ist nötig, um im Falle eines Unglücks im Bunker weitere Fluchtwege für die Museumsbesucher zu schaffen. Konkret: Auf fünf Etagen wurden jeweils 2,20 m x 1,30 m große Öffnungen in die Außenwand des Bunkers gesägt, an die in Kürze eine stählerne Brandschutz-Treppe angedockt wird. Dazu kommt ein Ausstieg in der Decke des Bunkers, die der Rauchgas-Entsorgung des sechsstöckigen Treppenhauses dient. Klingt einfach, bedeutete aber einen enormen Aufwand: Die Außenwände des 1942 für die Emder Bevölkerung errichteten Bunkers sind 1,10 Meter dick, die Decke misst sogar 1,40 Meter. Eine wassergekühlte Spezialsäge leistete zwei Wochen lang Marathon-Schwerstarbeit, um die „Tür-Würfel“ aus dem für die Ewigkeit gedachten Betonklotz zu sägen. Geklappt hat alles optimal, vor allem dank der hervorragenden Planung und Bauleitung durch das Architekturbüro Nexxia und der Bauleiterin Luise Fauerbach-Geiken. Unter der Regie von Fauerbach-Geiken wurde der gesetzte Zeitplan bisher exakt eingehalten.

Das gilt auch für die nächste spektakuläre Aktion: Die vorgesägten Würfel, jeweils Neun-Tonnen-Kaventsmänner, wurden mit einem Spezialkran aus dem Bunker-Torso herausgehoben. Zahlreiche Schaulustige schauten sich die Aktion an. Meilensteine für die Wiedereröffnung des Museums. Aber auch ein Moment, der nachdenklich stimmte, wenn bedacht wird, dass das erste Mal seit 81 Jahren wieder Tageslicht in das Innere des Bunkers schien. Heute geht der Blick durch die neuen Bunker-Öffnungen in eine friedliche Stadt. Ein krasser Gegensatz, der durch das am Bunker befestigte Spruchband „Innen-Welten-Außen-Welten“ eindrücklich zum Nachdenken anregt.

Das der Festakt für die Wiedereröffnung am 6. September 2023 stattfindet, ist kein Zufall. Es ist ein historisches Datum. Emden wurde am 6. September 1944 von kanadischen Bombern fast vollständig in Schutt und Asche gelegt. Der 6. September gehört seitdem zum kollektiven Gedächtnis. Alljährlich wird an die Opfer des Bombenkrieges, an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und die Zerstörung der jahrhundertealten Seehafenstadt gedacht. Den Bunkern – der in der Holzsägerstraße ist einer von über 30 Riesen – verdankten zahlreiche Emderinnen und Emder ihr Leben.

Das war auch der Gedanke eines kleinen Kreises engagierter Emder Bürger, die sich vor 30 Jahren das Ziel gesetzt hatten, zum 50. Jahrestag der Zerstörung am 6. September 1994 einen dieser Betonriesen für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Geburtsstunde des Bunkermuseums. Erstmals sollte es eine Ausstellung über den Bombenkrieg, Luftschutz und die Nazi-Zeit in Emden geben. Die Schau hatte den Anspruch dazu beizutragen, ein entscheidendes Kapitel der jüngeren Stadtgeschichte aufzuarbeiten und zu dokumentieren.

Am 6. September 1994 wurde die Ausstellung im Hochbunker in der Holzsägerstraße eröffnet. Die Resonanz der auf 30 Tage begrenzten Schau war von der ersten Stunde überwältigend. Vor dem Bunker bildeten sich lange Schlangen. In dem Betonklotz selbst spielten sich bewegende Szenen ab. Mit den Bildern der zerstörten Heimatstadt und ihrer Geschichte konfrontiert, konnten viele Emder ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten. In nur 19 Tagen kamen 5000 Besucher aus dem In- und Ausland. Die Erwartungen wurden damit weit übertroffen. Wochenlang war die Schau Stadtgespräch. Durch diese Erfahrung war dem Team klar: Aus der zeitlich befristeten Schau musste eine ständige Ausstellung werden.

Mit den zuständigen Behörden liefen intensive Verhandlungen über die künftige Nutzung des Bunkers für ein Museum als Dauereinrichtung. Anfang 1995 gaben die Behörden schließlich grünes Licht für die museale Verwendung. Die offizielle Eröffnung erfolgte wieder an einem geschichtsträchtigen Datum: Dem 6. Mai 1995 – 50. Jahrestag des Kriegsendes in Emden.

Das Museum etablierte sich schnell und wurde bald zum festen Bestandteil der städtischen Kulturlandschaft. Hunderte Emder Familien stifteten Exponate von hohem ideellem Wert. Uniformteile, Fotografien, Briefe, Tagebücher, Alltagsgegenstände aus der Not- und Mangelzeit, Bombenzünder, Bezugsscheine, Wehrpässe, Bunkerkisten, Koffer, Bunkerdecken, Kinderspiele und mehr. Heute verfügt der Arbeitskreis über mehrere Tausend einzigartige Objekte, die das Museum weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt gemacht haben.

Ein Wissen, das den Emder Stadtrat dazu veranlasste, die Verwaltung mit dem Kauf des Bunkers zu beauftragen, als der Bund diesen 2016 meistbietend versteigern wollte. Die Stadt Emden machte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch und sicherte sich den Bunker, um ihn dem Arbeitskreis zur Verfügung zu stellen. Eine gute und richtungsweisende Geste des Rates und ein klares Bekenntnis zum Museum, das jedoch ein riesengroßes Problem auslöste. Von nun an galt der Bunker nicht mehr als sogenannter Sonderbau des Bundes, sondern unterlag der Niedersächsischen Brandschutz-Ordnung.
Die schreibt unter anderem die Einrichtung mehrerer Fluchtwege vor. Geschätzter Kostenpunkt der Umbau-Maßnahmen: Mindestens 650.000 Euro. Geld, das weder Verein noch Stadt aufbringen konnten. Das Aus des Bunkermuseums schien unausweichlich. Provisorisch gestattete die Stadt, den Museumsbetrieb bis zum dritten Halbgeschoss aufrechtzuerhalten. Besuchern wurde der weitere Aufstieg in die oberen Etagen durch eine Bautür versperrt. Außerdem patrouillierten von der Stadt finanzierte Brandwachen durchs Museum, um im Ernstfall ein Feuer sofort zu melden und die Besucher evakuieren zu können.

Dann kam die Corona-Epidemie und ließ jedweden Gäste-Einlass im fensterlosen Bunker in weite Ferne rücken. Für wenige Wochen, als die Infektionszahlen kurzzeitig gesunken waren, erlebte das Museum noch einmal eine goldene Zeit, als Tausende Gäste in den Bunker strömten. Der Saison-Schluss des Jahres 2020 bedeute dann das vorläufige Ende des Bunkermuseums. Die Stadt untersagte wegen der ungeklärten Brandschutz-Problematik die weitere Öffnung.

Nach einer zähen Zeit mit endlosen Verhandlungen und Bemühungen des Vorstandes, sicherte das Land Niedersachsen dem Verein im Sommer 2022 schließlich eine Förderung in Höhe von 50.000 Euro zu. Ein wichtiger Anschub. Der Rat der Stadt Emden wies dem Museum anschließend eine Summe in Höhe von 350.000 Euro zu und verhalf dem Mammutprojekt damit zur Umsetzung. Im März diesen Jahres übernahm – nach einstimmigem Votum seiner Mitglieder – schließlich der Arbeitskreis den Bunker von der Stadt. Dieses Mal waren die Kosten überschaubar: Die Kaufsumme betrug einen symbolischen Euro. Die Übernahme des Betonriesen bot den Vorteil, dass der Verein selbst Angebote von Handwerksbetrieben einholen konnte. Als neuer Eigentümer gelang es dem Verein, im Budget für den Brandschutz-Umbau zu bleiben.

Genauso erfreulich in den vergangenen Monaten: Das Museum erlebt eine enorme Wertschätzung aus der Bevölkerung, dem Rat der Stadt Emden, der Verwaltung und anderer Institutionen. Rückenwind, der Mut und Zuversicht gibt. Es ist, als ob sich ein Rad ins andere fügt. Der Arbeitskreis erfährt nach wie vor tüchtig Zulauf und konnte seine Mitglieder-Zahl auf 115 (plus zehn Firmen-Mitgliedschaften) verdreifachen. Darunter auch junge Menschen, die sich künftig engagieren möchten.

Spendenübergabe von der Kaufmannschaft an den Arbeitskreis. Von links: Lennart Thiele und Dr. Claas Brons von der Kaufmannschaft sowie Roswitha Franke, Wolfram Heidrich und Marten Klose vom Bunkermuseum. Foto: privat

Als goldrichtig erwies sich dabei die Idee, während der Schließungs-Phase eine Art Flaggschiff-Store in der Großen Straße zu eröffnen. Ein Bunkermuseum-Laden, der als Anlaufstelle für Mitglieder und Interessierte dient. Der Aldi-Konzern stellt dem Verein das Ladenlokal mietfrei zur Verfügung. Eine starke Zusammenarbeit zwischen der Aldi-Immobilien GmbH, dem Arbeitskreis Bunkermuseum und dem Stadtmarketing. Eine Geste, für die das Bunker-Team ausgesprochen dankbar ist.

Von dem in bester Lage befindlichen Geschäft werden nicht nur der Umbau koordiniert, sondern auch bereits Pläne für die Zeit nach der Wiedereröffnung geschmiedet. Die Ausstellung muss modernisiert werden und dafür sind erneut Fördermittel nötig, die eingeworben werden müssen. Dabei soll auch das Profil als außerschulischer Lernort geschärft werden.

Dass das Bunkermuseum heute nötiger denn je ist, zeigt unter anderem der Ukraine-Krieg, an den der Verein in der Schließungszeit mit eigenen Friedensveranstaltungen gedachte. Seit diesem Jahr ist der Arbeitskreis sogar erstmalig Mitveranstalter des Work-Camps der Deutschen Kriegsgräberfürsorge in der Normandie, das eine lange Tradition in Emden hat.

Auf dem deutschen Soldaten-Friedhof bei Saint-Désir werden bei Drucklegung dieses Heftes Jugendliche verschiedenster Nationalitäten gemeinsam Kriegsgräber pflegen. Eine Begegnung mit gegenseitigem Respekt und auf Augenhöhe.

Eine Stätte der Begegnung und der Friedensarbeit zu sein, ist auch erklärtes Ziel des Arbeitskreises Bunkermuseum. Auch dafür hat der Verein den 6. September fest im Blick.

Der Arbeitskreis Bunkermuseum e.V. wird geführt von den Vorsitzenden Roswitha Franke und Wolfram Heidrich, Schriftführer Hendrik Wiedmann, Kassenwart Dr. Rolf Uphoff, Pressesprecher Marten Klose sowie den Beiräten Christian Röben, Tom Sprengelmeyer, Aiko Schmidt und Christine Uphoff. Die Bauleitung für die Brandschutz-Ertüchtigung liegt in den bewährten Händen von Luise Fauerbach-Geiken vom Architekturbüro Nexxia.
www.bunkermuseum.de

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